Etwas Osterather Geschichte

Aufgeschrieben von Karl Kahles im Jahre 1937

 

Osteroide, ein östliches Roid, so nannten unsere Voreltern im frühen Mittelalter unser Heimatdorf. Die Gründung Osteraths und die ersten Jahrhunderte menschlicher Siedlung auf seinem Gebiet sind der Geschichte nach unbekannt. Gleichwohl muss der Kelte als der Begründer Osteraths angesehen werden, da viele Namen keltischen Ursprungs noch heute vorhanden sind und die ersten Wohnsiedlungen auf Osterather Gebiet, einige Gehöfte im heutigen Schweinheim, von Kelten bewohnt gewesen sind.

Die Römer überschritten auf ihrem Heereszuge den Strom an gangbaren Stellen, so am Bovert und bei Strümp, und errichteten auf den höherliegenden Inseln ihre „veteracastra", befestigte Kastelle, so novesia, gelduba, calo und asciburgium (Neuß,Gellep um 309, Kaldenhausen und Asberg um 300). Nach dem Abzug der Römer dringen Frankenscharen in unser Gebiet. Der Rest der bisherigen Bewohner geht im Frankenvolke auf, die nach und nach unter kraftvollen Königen das ganze linke Rheinland besetzen (Schlacht bei Zülpich, Clodwig, der Frankenkönig). Um 400 ist unser Gebiet von den ripuarischen Franken bewohnt.

Erst im Jahre 1272 tritt unser Dorf namentlich in die Geschichte ein, besaß aber zu dieser Zeit bereits eine große, schöne Kapelle mit dem heutigen Kirchturm. In einer Urkunde, worin Theodorich, Edelherr von Mielendonk, dem 1166 von Hildegunde von Uedberg gestifteten Kloster Meer die Wassermühle am ,Bauerath" ,(Bovert) vermacht, werden als Zeugen „alle Pfarrkinder von Usterode met ihrem honen" genannt. (Eine Honschaft war die kleinsteVerwaltungeinheit.) In Kempener kirchlichen Urkunden wird unser Dorf bereits im 13. Jahrhundert als „Usterode, eine Tochterkirche willikes", also Willichs benannt, die dem Pfarrer von „willike und usteroide" untersteht. 

Um 800 sind die Reichsgrafen von Kleve im Besitze unseres Ortes, der mit dem Gebietvon Linn bis Neersen und von Kaarst bis Lank zur großen „Herrschaft" hilkerode (Hülchrath) gehört. 1294 ist der südliche Teil der Herrschaft hilkerode im Besitze der Kirche, während das Amt Linn mit den zugehörigen Dörfern viscele, willike, ostroide, herde und lank dem Herzog von Kleve verbleibt. 1378 endlich ist oysteroede im Besitz der Herzogin von Geldern, die es dann mit dem ganzen Amte Linn für 45.000 Gulden an die Kirche verpfändet. Inzwischen aber hat Adolf von Kleve das Amt Linn erobert. Wiedertobt der Krieg der Landsknechte durch unser Gebiet und erst 1392 verkauft Adolf von Kleve dem Erzbischof von Köln, Friedrich von Saarwerden „das Amt Linn mit den zugehörigen Honschaften (darunter auch Oysteroide) für 70.000 Gulden zum ständigen Besitz". Damit gehört unser Dorf für die nächsten vier Jahrhunderte zu den sogenannten „geistlichen Gebieten" des deutschen Reiches sein Landesherr ist der Erzbischof von Köln. 

Die Einwohnerzahl des Ortes hat sich in all den Jahrhunderten kaum verändert und bewegt sich zwischen 400 bis 500, die fast alle Bauern oder Holzbauern sind. Wieder liegt Kriegsvolk im Lande. Karl von Burgund belagert als Verbündeter des Kölner Erzbischofs das gegen diesen rebellierende Neußer Erzstift, in dessen Mauern sich die Mönche und der umwohnende Adel mit Erfolg verteidigen, bis Kaiser Friedrich den Burgunder verjagte (1475). 1483 und 1491 traten als gräßliche Nachhut all der Kriegsvölker Pest und Hungersnot auf. Die Einwohnerzahl sank bis auffast 300 herab.

Im Jahre 1577 entbrannte der Truchsessische Krieg in den noch halb verwüsteten Gebietendes Niederrheins. Gebhard von Truchsess versuchte, das „geistliche Land Köllen"der Kirche zu entreißen und zum eigenen Reichs-Kurfürstentum zu machen.

Aber Papst und Kaiser zogen gegen ihn zu Felde und in dem folgenden Kriege wurden auch die Dörfer Vischele, Willicke und Ostroide wiederholt von beiden Heerenausgeplündert und in Brand gesteckt.

Ostraide gehört zu dieser Zeit immer noch dem Kölner Erzbischhof, und der Pfarrer von Willich ist der kirchliche Gewalthaber Osteraths. An der Osterather Pfarre hat hat er einen Vikar, und oft streitet er mit ihm und den Osterather um seine ,Zehnten".Obwohl die Osterather schließlich ihre eigenen „Kopulations-, Firm- und sonstigen Kirchenrechte erhielten, blieben die Einnahmen doch für den Pastor von Willich und dieser holte sich neben den jährlichen Korn- und Kopulationsrenten, den Steuerndes Erzbischofs, noch alljährlich bis zur französischen Revolution im Jahre 1789 „aus jedem Rauchfang in Osteroide ein Huhn".

Kaum war der Truchsessische Krieg überwunden,· als der Dreißigjährige Krieg ausbrach und fast alle Wohnplätze unserer Heimat schwer traf. Erst im letzten Abschnitt desselben, im Jahre 1641 bekam Osterath die Leiden desselben, dann aber auch im stärksten Maße zu kosten. Die Hessen unter Graf Eberstein fielen in‘s Land,verwüsteten alles und steckten die Dörfer in Brand. Auch das Osterather Kirchendach,der halbe Kirchturm mit der im Jahre 1640 neu gegossenen großen Glocke wurden mit den meisten Häusern des Dorfes ein Raub der Flammen. Die geistlichen Würdenträger wurden arg verfolgt. Der Osterter Pfarrer Gerhard Vynhofen soll sich tagelang im verbrannten Kirchturm und nach der Flucht aus demselben in den hohen, den Turm umgebenden Brennesseln versteckt haben. Zum Danke für seine Errettung habe er die „Geerdtskapelle" bei Klein-Jerusalem erbaut. Der Osterather Galgen, der am Schweinheim stand und zu dem vom Dorfe der Galgenweg führte, war noch in Betrieb und der Osterather Hon hatte dafür zu sorgen, dass die Gehängten die vorgeschriebene Zeit hängen blieben. 

Nachdem 30-jährigen Kriege war Osterath nur noch ein Ruinendorf. Und wieder schlug als furchtbare Nachfolge des Krieges Ruhr und Pest ins Land und vernichtete die Einwohner fast völlig. Die Dorfstraßen lagen lange wie tot. Nur in den festen, von Wall und Graben umgebenen und von den Bauern jahrelang gegen jeden Eindringling verteidigten Höfen (Haus Radong) (Boverter Mühle) blieb noch Leben. Die Schuldenlast des Dorfes betrug fast 20.000 Reichstaler. 1683 besteht Osterath aus 2 3/4 Honschaften, hat also rund 300 wehrfähige Männer und etwa 1000 Einwohner. An „schatzbarLand", ackerfähigem Land, sind 25.000 Morgen vorhanden. Die Mühle, eine an der Stelle der jetzigen Windmühle (Turmmühle)erbaute Bockmühle, wird im Jahre 1674 an H. Venten verpachtet. 

Während die Bewohner Osteraths in den folgenden Friedenszeiten von 1701 bis 1750 mit dem Wiederaufbau ihres Ortes beschäftigt waren, bereitete sich für den Ort langsam ein anderes Schicksal vor. Seit fast 100 Jahren war das deutsche Kaiserreich bröckelig geworden. Die großen Länder desselben, Preußen, Bayern, Sachsen, Österreich und die Rheinstaaten, besonders die letzteren betrachteten sich nicht mehr als kaiserlich-deutsche Staaten. Im Jahre 1756 aber fand sich plötzlich unter der Kaiserin Maria Theresia, der der Preußenkönig Friedrich der Große Schlesien abgenommen hatte, die Gelegenheit, diesen zu demütigen. Im Bündnis mit Sachsen, Rußland, Frankreich, Schweden und den Rheinstaaten begann die Kaiserin den siebenjährigen Krieg gegen Preußen, das England, Hannover, Braunschweig zu Bundesgenossen hatte. Im raschen Vordringen stand der Herzog Ferdinand von Braunschweig am 15. Juni 1758 vor Krefeld, und auf den Feldern von der Hückelsmay bis Königshof kam es zur Schlacht. Der Gegner, Herzog Graf von Clermont, mit 33.000 Franzosen und Rheinbundtruppen verlor die Schlacht, und am 18. Juniwurde Osterath von den Preußen besetzt.

 

Schon um 1730 waren einige neue Straßenzüge angelegt, ein Schulgebäude von H. Hausmann der Gemeinde überlassen worden. Die um 1700 gegründeten Bruderschaften waren fleißig bei der Arbeit, um den Dorfbewohnern das Gefühl der Sicherheit zu stärken. Der Haupterwerbszweig ist immer noch das Bauerntum. Im Jahre 1794 beim schweren Eisgang des Rheins, wo der Damm brach, mussten alle Dörfer beim Dammbau helfen. Auch Osterath hatte einen Teil des Dammes neu zu errichten und dieser (zwischen Lörrick und Heerdt) heißt heute noch der Osterather Damm. Damals standen die Rheinfluten bis in die Kalverdonk. Die Einwohnerzahl hat sich seit 1683 kaum vermehrt, Osterath hat 1794 etwa 1060 Einwohner.

 

Am 4.,5. und 6. Oktober 1794 erfolgte der Einmarsch der französischen Truppen in Osterath. In der darauffolgenden Franzosenzeit wurde aus dem Dorf im Amte Linndie „Mairie Osterath". Diese gehörte als Teil des Kantons Uerdingen im Arrondissement Krefeld zum Departement Roer mit dem Verwaltungssitz in Aachen. Durch die„Kontinentalsperre" Napoleons entstand 1806 eine große Teuerung, ein Pfund Kaffee kostete 1 1/2 Reichstaler ( = 6 Mark). Eine Volkszählung im Jahre 1811 zählte in Osterath 1072 Einwohner. Die französischen Revolutionsgesetze waren nach dem Frieden von Luneville auch hier eingeführt worden. Die Gesetze von 1789,1791 und 1792 hoben nicht nur alle aus dem Feudalwesen herrührenden Rechte, wie Bauern-Vorspann, Sackzehnten, Frone und dergleichen auf, sondern auch die Korn- und Kerzen rentendes Pastors von Willich und sein „Huhn aus jedem Rauchfang Osteraths". Die Buscherben des Kalverdonk zahlten jetzt eine jährliche Staatssteuer ,und die Verwaltung der Gemeinde wurde dem „maire" (Bürgermeister) übertragen, welches Amt Johann Bommers übernahm. Die letzte französische Einquartierung war im Jahre 1812, wo französische Karabiniers auf dem Marsch nach Rußland hier lagen, von wo Napoleon und sein Riesenheer geschlagen, vernichtet heimkehrte.

 

Das Dorf sprengte schon bald seinen Umkreis, die Einwohnerzahl stieg und 1821 waren nicht nur viele neue Straßen angelegt, so der „Neue Weg" nach Strümp, die jetzige Stümper Straße, sondern auch mit Häusern bebaut. Die Häuser an der Strümper Straße, der Krefelder und Düseldorfer Straße, am Giesenend, überhaupt fast alle Fachwerkhäuser Osteraths stammen aus dieser Zeit. Nach einer neuen Vermessung war die Kalverdonk zu dieser Zeit noch ein Busch von 462 Morgen 172 Ruten mit reichem Hochwildbestand. Im Jahre 1828 wurde die neue Schule, später Schule Dorf genannt, gebaut. Die Kosten betrugen 1.542 Thaler. Die alte Dorfschule wurde bis 1940 als solche benutzt.

 

1832 hatte Osterath 233 Wohnhäuser mit 1.580 Einwohnern, von denen 3 evangelisch und 9 Juden waren.Im Jahre 1836 wurde die jetzige Landstraße von Haus Meer durch Osterath (Düsseldorfer Straße) an der Kirche vorbei nach Krefeld (Krefelder Straße) gebaut. Von 1838 bis 1840 wanderten eine Anzahl Osterather Familien nach Amerika aus. Die Einwohnerzahl war weiter steigend. Im Jahre 1840 eröffnete der erste Arzt in Osterath seine Praxis, der auch das Amt des Armendoktors für Osterath und Fischeln übernahm. An der Mühle wurde ein Wohnhaus angebaut. Dieselbe gehört seit fast 300 Jahren je zur Hälfte der Kirche und der Gemeinde. Die älteste Osterather Windmühle wurde schon in der Mitte des 14. Jahrhunderts  während der Kämpfe zwischen dem Herzog von Geldern und dem Grafen von Kleve zerstört. Über ihren Wiederaufbau wurde in der Urkunde vom 2. 10.1364 vereinbart,dass die Bewohner des Dorfes Osterath als Entgelt für den Wiederaufbau der Mühle den Mahllohn, Malter genannt, für die Dauer von 8 Jahren allein erheben durften. Die Osterather Windmühle war immer zweiherrig. Die eine Hälfte gehörte dem Domkapitel in Köln, die andere der Kirchengemeinde St. Nikolaus in Osterath.Jeder bezog die Hälfte der Einkünfte. Seit dem 3. 9. 1687 war die dem Kölner Domkapitel gehörende Hälfte der Mühle in Erbpacht an die Eheleute Heinrich Hausmann und Gertrud Tilmes und deren Nachkommen verpachtet. Dieser Erbpachtvertrag wurde während der Franzosenzeit durch die Säkularisation (=Verstaatlichung) der geistlichen Güter aufgelöst. 1818 konnte Bürgermeister Kürfgen, ein Nachkomme der ursprünglichen Erbpächter durch Zahlung von 2.320 Francs an die Regierung den Besitz der halben-Mühle in sein freies Eigentum überführen. Seine Erben wiederum verkauften 1883/85 ihren halben Mühlenanteil an die katholische Kirchengemeinde, so dass dieser von da an die Mühle ganz gehörte. Zu dieser Zeit wurde die über 500 Jahre alte Bockwindmühle abgebrochen und die heute noch an ungefähr demselben Platz an der Willicher Straße stehende Turmwindmühle erbaut. Sie wurde an verschiedene Pächter verpachtet, von der katholischen Kirchengemeinde zuletzt verkauft und arbeitete bis zum Ende des ersten Weltkrieges.

 

Der Bürgermeister von Osterath ist seit langen Jahren auch gleichzeitig Bürgermeister von Fischeln. Die Osterather Mühle ist jetzt an die Gebrüder Terheggen in Krefeld verpachtet.

Nachlangen Vorarbeiten beschloss der Gemeinderat 1844 den Bau einer neuen Kirche, der Bau geriet jedoch aus verschiedenen Gründen wieder ins Stocken. Anstelle des alten Heiligenhäuschens an der Hoterheide, die mehr und mehr mit Häusern und Höfen bebaut wurde,errichtete man 1847 eine kleine Kapelle, die heute noch steht:. Die Kapellenstraße wurde nach ihr benannt.

 

Die Gemeinde hat im Jahre 1850 rund 1.700 Einwohner, die jetzt zum Teil nicht nur Handwerker,sondern auch Industriearbeiter sind. Der Postverkehr ist großartig, auf den Strecken von Neuß nach Krefeld und von Rheydt nach Kaiserswerth und Uerdingen verkehren fast 50 Postwagen täglich, davon 22, die in Osterath halten. Im Jahre 1851 bestand bereits ein großer Kirchengesangverein unter Leitungdes Lehrers Max Cames, dessen Vater Bürgermeister von Osterath war. In diesem Jahre wurden auch die Fundamente der neuen Kirche gelegt, die im Jahre 1853 fertiggestellt und geweiht wurde. Der Willicher Weg wurde an der Südseite der neuen Kirche vorbei bis an die Hauptstraße durchgebaut.

Der Willicher Weg, die heutige Willicher Straße, mündete zunächst am Kirchplatz in die Dorfstraße. Die glatte Durchführung der Willicher Straße in die heutige Meerbuscher Straße wurde erst 1932 durch Abbruch eines eh. bäuerlichen Gehöftes und geradlinige Weiterführung der Straße durch das vormalige Hofgelände geschaffen.

Das ehem.bäuerliche Gehöft (Sassen), das 1932 abgerissen wurde, um der Kreuzung Willicher Str. /,Kaarster Str. / Meerbuscher Str. Platz zu machen.

Am 1.Oktober 1855 wurde die Eisenbahn von Köln nach Krefeld, die auch in Osterath einen schönen Bahnhof erhielt, feierlich in Betrieb genommen. Sie führte von Neuß her über die Düsseldorfer Straße, wo der Bahnhof steht, über die Hoterheide und Steinrath nach Fischeln und weiter nach Krefeld. Die Straßen Osteraths haben eine gesamte Länge von „2.990 Ruten", also etwa 12 Kilometer. 1864 hatte Osterath 2.022 Einwohner, die Zahl derselben nahm damals fast jährlich um 100 zu. Eine große Anzahl von Verkaufsläden und Gärtnereien wurde eröffnet und die Bauern fanden in den benachbarten Städten leicht Absatz ihrer Erzeugnisse, die durch eine gute Bodenbearbeitung immer mehr wurden. Von den 60 Osterathern, die im Jahre 1866 am Kriege gegen Österreich teilnahmen, starb einer und einer wurde verwundet. In diesem Jahre besuchte der Erzbischof von Köln Osterath.Auch wurde die Eisenbahn Osterath - Essen über Bösinghoven erbaut (Kohlenbahn) und im Jahre 1868 zweigleisig gemacht. Der seit mehreren Jahrzehnten bestehende Kirchengesangverein löste sich im Jahre 1867 auf. Der im Jahre 1870 ausbrechende Krieg mit Frankreich ließ auch eine große Zahl Osterather ins Feld ziehen, von denen 60 in dem Kampf für die Heimat ihr Leben ließen.

Postkartevon Osterath aus dem Jahre 1893

 

Die Straßen des Dorfes sind noch alle mit Kies gedeckt und nur teilweise mit Häusern bebaut, die meisten gruppieren sich immer noch um die Kirche. Der geschlossene Dorfkreis reichte nach Westen und Süden nur wenige hundert Meter, im Osten bis an die Eisenbahn, hinter der nur einige Fabriken und ein paar Häuser, am Bovert in langer Zeile bis zur Dorfgrenze lagen.

Innerhalb eines Jahrzehnts waren nicht nur eine Anzahl neuer Geschäfte im Dorfinnern aufgemacht, auch eine große Zahl Häuser gebaut und das Bahngelände mit einer Anzahl neuer Gleise versehen. Die Einwohnerzahl näherte sich rasch dem 3. Tausend und die lndustrie hielt ihren Einzug. Um 1890 war bereits eine Plattenfabrik, Ziegeleien und viele kleine Industriebetriebe am Orte. Auch das Vereinsleben des Dorfes hob sich mächtig. In dieser Zeit erfolgte (1873) auch die Gründung des Osterather Männer-Gesang-Vereins.

Postkarte von Osterath aus dem Jahre 1899

 

Mit der Industrie zogen auch große Mengen Arbeiter ein und im Jahre 1910 ist Osterath ein Dorf von fast 4.000 Einwohnern, unter denen neben dem stolzen Bauerntum auch die Söhne regsamer Geschäftsleute und fleißiger Beamten und Arbeiter heranwachsen.

Ein großes Drahtseilwerk, eine Bierbrauerei, mehrere Sauerkraut- und Krautfabriken sind neben den schon vorhandenen Werken seit einigen Jahren in Betrieb und bringenden fleißigen Dorfbewohnern guten Verdienst. Die ehemals Rheinische Eisenbahn ist seit Jahren staatlich und hat ihren Schienenweg von der Strümper Straße aus nach Bösinghoven und Oppum verlegt. Auf ihrer alten Bahn fährt jetzt die Düsseldorfer Elektrische Straßenbahn, die an der Hoterheide und am Bovert eine Haltestelle hat und den sehr starken Personenverkehr nach Düsseldorf und Krefeld bewältigt. Zwischen den beiden Bahnen wächst an der Hoterheide ein neuer Dorfteil auf, die Kapellenstraße. Das E-Werk, noch heute zwischen der Krefelder und Strümper Straße gelegen, wurde 1902 auf dem Gelände des zum Hoterhof gehörenden Baumgartens erbaut. Ab 1903 wurden von hier aus die Häuser in Osterath, Willicher Hardt und Streithöfe mit Licht und Kraftstrom versorgt. Ab 1. 4. 1914 wurde die Stromlieferung vom RWE übernommen und das alte E-Werk zu Wohnungen umgebaut. Der seit 80 Jahren an der Strümper Straße benutzte Friedhof ist in das Feld nordwestlich des Dorfes beiden Bommershöfen verlegt und ein schöner Weg dorthin gebaut. Die Wassermühle am Bovert ist verschwunden, die Windmühle an der Willicher Straße ist jetzt als steinerne Turmmühle in Betrieb.

 

Das dörfliche Leben ist regsam und abwechslungsreicher geworden. Die Dorffeste in den erbauten großen Sälen sind von seltener Großartigkeit, treu feierte das ganze Dorf seine Feste zusammen und Kirmes, Schützenfest und Karneval sind Freudentage für die ganze Gemeinde. Ihre Bewohner sind ein stolzer und starker Menschenschlag,dem die dörfliche freie Gemeinschaft über alles geht.